Fachtagung der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie

Die diesjährige Fachtagung der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie fand am 22.03.2023 zum Thema „Junge Menschen, die Systeme sprengen!? - Systemübergreifende Vernetzung zwischen Jugendhilfe und Psychiatrie“ im Festsaal des AWO Psychiatriezentrums Königslutter statt.
Das deutsche Filmdrama „Systemsprenger“ sorgte 2019 für Aufsehen und hatte Erfolg bei Kritikern und Publikum in Deutschland. In dem Film ging es um ein neunjähriges Mädchen, dass als sogenannter „Systemsprenger“ durch alle Raster der deutschen Kinder- und Jugendhilfe zu fallen drohte.
„Immer wieder haben wir mit solchen jungen Menschen zu tun, die von Einrichtung zu Einrichtung - teilweise quer durch Deutschland - gereicht werden, ohne dass ihnen langfristig geholfen wird“, beginnt Dr. Gabriele Grabowski, Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (KJP) des AWO Psychiatriezentrum (APZ) Königslutter ihre Begrüßung zur Fachtagung „Junge Menschen, die Systeme sprengen!? - Systemübergreifende Vernetzung zwischen Jugendhilfe und Psychiatrie“.
Eine wirkungsvolle Arbeit mit diesen sogenannten Systemsprengern bedarf einer abgestimmten Zusammenarbeit zwischen den Systemen Jugendhilfe und Psychiatrie. „Aus diesem Grund haben wir heute nicht nur Fachleute eingeladen, die zu diesem Thema referieren, sondern wir wollen auch in einen fachlichen und systemübergreifenden Austausch treten“, betont Dr. Grabowski.
Als Systemsprenger werden Klienten in Pädagogik und Psychiatrie bezeichnet, für die es noch keine geeignete sowie erfolgreich nachgewiesenen Hilfsmaßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe gibt. Häufig wechseln sie die Hilfen und Hilfsorte und erfahren dadurch immer wieder Bindungsabbrüche. Prof. Dr. Menno Baumann, der für den oben genannten Film als Berater zur Seite stand, stellte in seinem Referat die Frage: „Wer sprengt hier was und wen? Junge Menschen im High-Risk-Modus – Herausforderung für die Helfersysteme“. Er zeigte auf, dass es in Niedersachsen zurzeit 421 Fälle gibt, die aufgrund schwierigen Verhaltens Einrichtungen verlassen müssen. Doch scheitern in diesen Fällen die Systeme an den jungen Patienten oder die jungen Patienten an den Systemen? „Der Jugendhilfe fehlt es an ernstzunehmender Diagnostik“, erklärt der Professor für Intensivpädagogik. „Sie muss sich selbst sozialpädagogische Fragen beantworten. Heißt: Was ist hilfreich für wen? Was wird gebraucht und nicht, was haben wir noch nicht ausprobiert?“ Zurzeit sei die Pädagogik noch eine Import-Wissenschaft. Dabei sei es wichtig, dass sie eigene Leitlinien entwickle und die Verantwortung für die eigenen Fragen übernehme, so Prof. Dr. Baumann.
Christopher Dargatz, KJP-Oberarzt im APZ sprach über Patientinnen und Patienten mit akuter Eigen- und Fremdgefährdung. Er erklärte wann und wie lange die Indikation zur stationären Behandlung bei Kindern und Jugendlichen besteht. Im Fokus stand dabei die Behandlung auf der Intensivstation, der sogenannten geschützten Station.
Zum Abschluss der Tagung wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die interkommunale Organisation eines Angebots für und mit jungen Menschen in herausfordernden Lebenssituationen vorgestellt. Dabei handelt es sich um eine Kooperation von der Jugendhilfeplanung des Landkreises Helmstedt, des AWO-Verbandes Braunschweig und der Ostfalia Hochschule Wolfenbüttel.
Nach der Mittagspause hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit verschiedene Workshops zu besuchen und in einen gemeinsamen Austausch zu treten.